EEG-Neurofeedback-Training


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Das Geben und Nehmen

Artikel über Gehirntraining mit Neurofeedback


Gestern war Sonntag und ein sonniger Sommertag hier im Schwarzwald. Am Morgen ging ich in die nahe liegende Stadt Freudenstadt um ein Frühstück zu genießen, denn ich hatte einen mächtigen Hunger. Ich saß in einem Straßencafe in der frühen Morgensonne und saugte mein Umfeld ein während ich das üppige Frühstück genoss. Nicht weit von mir saß ein Pärchen die ebenfalls ihr Frühstück einnahmen und in ein tiefes Gespräch verwickelt waren. Ich konnte förmlich "sehen" wie Wellen der Kommunikation zwischen ihnen hin und her geschickt wurden. Es war ein perfektes Beispiel für das Prinzip des Gebens und des Nehmens.

Die Grundeinheit der Kommunikation innerhalb des Gehirns ist der Neuron. Wie Neuronen aufgebaut sind und wie sie mit einander kommunizieren habe ich bereits in einem anderen Artikel ausführlich beschrieben. Neuronen sind gleichzeitig Sender und Empfänger, Geber und Nehmer. Das Medium des Gebens und des Nehmens sind die Botenstoffe, die Neurotransmittern. Bei dem Pärchen war zu beobachten wie aufgeschlossen und aufmerksam sie einander gegenüber waren und wie frei und ungeschützt die Kommunikation war. Im Gehirn funktioniert es ähnlich denn das zwischenmenschliche Leben ist an biologische Vorgänge modelliert. Die Kommunikation und der entsprechende Aufbau von Gehirnwellen geschieht indem eine Zelle in sich ein Aktionspotenzial aufbaut, entpolarisiert oder sich entlädt und ein Päckchen Botenstoffe über den synaptischen Spalt ausschickt. Dieses Päckchen wird von den Dendriten anderer Neuronen empfangen, die eine Rückmeldung geben dass die Botschaft empfangen wurde und den zu den Dendriten gehörender Neuron entlädt sich wiederum und schickt in einer Kettenreaktion die Botschaft über Botenstoffe an andere Neuronen. So werden viele Neuronen in die Kommunikation mit einbezogen und eine ganze Welle von Aktivität entsteht. Die Rückmeldung geschieht indem die Botenstoffe aus dem synaptischen Spalt zurück absorbiert werden. Sie werden recycled und können nach einer "Auszeit" wieder verwendet werden.

Es ist ein Vorgang des Gebens und des Nehmens. Die Kommunikation zwischen Neuronen kann in verschiedener Weise gestört werden. Die Kommunikation ist einerseits elektrisch und andererseits chemisch. Der elektrische Anteil ist innerhalb der Zelle, der chemische Anteil ist zwischen den Zellen. Beide Anteile werden über die Ernährung der Zelle beeinflusst. Die wichtigste Schnittstelle zwischen den Zellen ist der Membran sowohl an den Endpunkten oder Endknöpfchen des Axons (sendender Teil) und an den Dendriten (empfangender Teil). Diese Membrane bestehen ausschließlich aus Fett, Idealerweise in der Form von Omega 3 Fettsäuren. Anders als früher angenommen ist auch das Gehirn in einem ständigen Um- und Aufbauprozess. Eine ausreichende Versorgung mit Omega 3 Fettsäuren gewährleistet die Bildung von gut geformten Membranen. Gut geformte Membranen gewährleisten eine gute und effiziente Übertragung der Botenstoffe und machen die Arbeit der Kommunikation leichter. Schlecht geformte Membranen funktionieren zwar auch, aber die Wahrscheinlichkeit dass eine Botschaft verloren geht und dass die Rückmeldung nicht ankommt ist größer. Es ist auch wahrscheinlicher dass die nötige stärke der Erregung nicht ausreicht um eine Reaktion zu bewirken. Um das klare Impulse gesetzt werden muss sowohl im Auslöserneuron als auch im System eine bestimmte kritische Masse erreicht werden. Um dieses auszugleichen müssen im Vergleich zu einem gut funktionierenden Kommunikationssystem viele neuronale Verbindungen hergestellt werden um einfache Botschaften zu übermitteln mit einem entsprechenden höheren Energieaufwand. Das entspricht einer weniger effizienten Kommunikationssystem – es muss viel angestellt werden um relativ wenig zu erreichen und die Möglichkeit dass Fehlinformationen gesendet oder empfangen werden ist entsprechend höher. Dass ist für das Gehirn eine sehr stressvolle Funktionsweise und widerspricht seiner natürlichen Neigung zu Effizienz. Wenn wir uns benebelt fühlen und keine klare Gedanken fassen können dann ist es deshalb weil wir die kritische Masse für einen klaren Gedanken nicht erreichen können.

Die Grundeinheit von Beziehungen ist die Paarbeziehung. Paarbeziehungen Leben, gedeihen und verderben auch durch die Kommunikation. Die Kommunikation ist die oberste Ebene des Gebens und des Nehmens. Ein gut funktionierender Neuron sendet ein ganz klares Signal ohne umschweife aus darüber was es will und was es beabsichtigt. Es hält mit nichts hinter dem Berg und gibt. Wenn der Neuron mit einem Anderen kommuniziert das ebenfalls gut funktioniert dann wird die Botschaft ganz klar empfangen, verstanden und bestätigt oder gespiegelt und nimmt um dann letztlich auch zu geben. Wenn die Neuronen nicht so gut gebildet werden dann wird die Kommunikation verzerrt und Verteidigungsmaßnahmen werden aufgegriffen wie "was will der von mir?".

So wie in paar Beziehungen wenn die Kommunikation gut ist entsteht dann ein hoher Umsatz an Geben und Nehmen und das Paar erreicht viel, ist erfolgreich und sich selber gegenüber und ihrer Verantwortung gegenüber verlässlich. Der hohe Umsatz der Neuronen im Gehirn über die effiziente Kommunikation erzeugt ein Gefühl von Wohlsein und auch ein Gefühl von Liebe, denn die Neurotransmittern sind es die uns wohl und satt fühlen lassen. Ein geringer Umsatz hingegen führt zu einem Gefühl des Mangels und der Depression. Psychopharmaka wirken so indem sie dem Körper vortäuschen dass mehr Neurotransmittern im Umlauf sind als tatsächlich der Fall ist, also dass der Umsatz höher ist als er wirklich ist. Sie blockieren die Wiederaufnahme der Neurotransmittern und blockieren dadurch die richtige Kommunikation und das Geben und das Nehmen.

Ich hatte Gelegenheit mit einigen Depressiven Menschen auch in Seminaren zu arbeiten und es war klar zu erkennen dass da Probleme mit dem Geben und dem Nehmen vorliegen. Entweder sie haben schon zu viel gegeben und haben während dem Geben vergessen zu nehmen, oder das was ihnen zum nehmen angeboten war nicht "gut" genug für sie oder war nicht als das Richtige für sie erkannt wurde. Oder sie hatten die Haltung dass es ihnen nicht zustehe zu empfangen oder sie hatten den Eindruck dass sie nicht das zurückgeben konnten was sie einst empfangen hatten, denn das zurückgeben wollen (die Spiegelung oder Rückmeldung der Dendriten) ist ein natürliches Bedürfnis. Depressive "steigen aus" aus der Kommunikation denn sie haben nicht gelernt mit sich selber gut zu kommunizieren. Das bekannte Helfersyndrom beruht auf der Annahme es nicht Wert zu sein zu empfangen und immer nur Geben zu müssen.

Alle diese Haltungen beruhen auf den Mangel der klaren Kommunikation auf neuronaler Ebene und spiegeln sich im Verhalten wieder. So kann auch erkannt werden wie wesentlich die Funktionsweise des Gehirns unser Fähigkeit zu Geben und zu Nehmen beeinflusst. Ein hoher Umsatz von sowohl Geben und Nehmen führt zu hoher und auch entspannter Produktivität und auch zu Reichtum im weitesten Sinn. Bei Paarberatungen, wie auch bei Konfliktberatung jeder Art ist das Erste Ziel den Stresspegel zu reduzieren (die Flucht/Kampf Reaktion zu minimieren) und die Kommunikationskanäle wieder zu öffnen und dass jeder Gelegenheit bekommt genau zu artikulieren worum es geht. Wenn ein Gehirn gestresst wird, was automatisch zu einer Einschränkung der inneren Kommunikation führt, läuft nur noch das Notfallprogramm der Flucht/Kampf Reaktion ab wo alles als eine Bedrohung wahrgenommen wird. Dieses Reaktionsmuster ist im Gehirn als Überlebensprogramm "fest verdrahtet" und gibt überhaupt keinen Spielraum für Großzügigkeit. Dauer Gehirnstress führt zu einem erliegen der Fähigkeit zu Lernen, zu einem Erliegen der diversifizierten neuronalen Kommunikation und auch zu einem Zusammenbruch der Freisetzung von Neurotransmittern die ein Wohlgefühl mit sich bringen. Es zirkulieren dann vorwiegend Stresshormone. Die Umkehrung des Prozesses geschieht indem das Geben und Nehmen wieder als Möglichkeit in Betracht gezogen wird.

Die grundlegenden Muster der Neuronalen Kommunikation werden schon im Mutterleib, während der Geburt und in der Kindheit geprägt. Das Kind lernt anhand des Musters in der Familie wie es die Dinge zu betrachten hat und verstrickt sich in diese Muster. Die Verstrickung geschieht in der Form der Bildung bestimmter Funktionsweisen und bestimmter Vernetzungen der Neuronen. Nahrungsgewohnheiten spielen dann auch eine Rolle bei der Bildung der Neuronen. Das Gehirn des Kindes modelliert sich nach dem Model des Frühen Umfeldes. Deswegen sind bestimmte Verhaltensweisen, Denkweisen oder Erfahrungen die während der Kindheit geprägt werden für das spätere Leben maßgebend. Wenn z.B. depressive Denkstile (ungenügende Eigenstimulierung der neuronalen Aktivität oder übermäßiges Abwehrverhalten) in der Familie vorherrschen dann ist die Wahrscheinlichkeit sehr groß dass die Denkstile ungefragt vom Kind übernommen werden. Erst wenn über die Jahre die intellektuellen oder unterscheidenden Fähigkeiten im vorderen Bereich des Gehirns erschlossen werden können und zum Leben erwachen, können Wahlen getroffen werden über die Gültigkeit der angenommenen Denkstile und die Gültigkeit der vorgelebten Lebensweisen. Dies geht nicht ohne eine Auseinandersetzung mit Schuld- und Unschuldsgefühle und einer nüchternen Betrachtung der häufig traumatisierenden Dysfunktionalität unserer frühen Prägung. Interessant ist dass gerade bei Kindern mit ADS/ADHS die vorderen Gehirnbereiche nicht so aktiv erschlossen sind und zu schlafen scheinen. Die Auseinandersetzung mit der Prägung aus der Herkunft erlaubt das gute Ansichten und nützliche Erfahrungen als solches erkannt werden und nicht nützliche können auch ohne Schuldgefühle als solches erkannt und dort belassen werden wo sie herstammen.

Die Arbeit des Gründers der Transaktionsanalyse Eric Berne im Bereich der Lebensskripts macht deutlich dass die Wahrscheinlichkeit ein Leben aus zweiter Hand zu Leben und das Schicksal von Familienmitglieder nachzuahmen umso größer ist desto weniger der Mensch gelernt hat zu unterscheiden und seinen Vorderhirnbereich aktiv zu benützen. Das Leben eines Menschen der nicht gelernt hat zu lernen wird vorhersehbar und er wird die verdrängten Traumen als Lebensmuster nachbauen statt mit Vision sein Lebensskript neu zu schreiben. Es ist sehr leicht von einem Schicksal mitgerissen zu werden wenn der Stresspegel des Gehirns sehr hoch ist.

Das Geben und Nehmen sowohl in Paarbeziehungen als auch in der neuronalen Kommunikation sind nicht Selbstzweck. Sie dienen etwas größerem. In zwischenmenschlichen Beziehungen dient die Kommunikation einer "Sache". In der neuronalen Kommunikation dient der Austausch auch einer "Sache". Bei der Neuronalen Kommunikation ist die Sache die Verarbeitung einer Wahrnehmung oder die Verarbeitung einer Idee, eines Gefühls oder eines anderen Ziels. Die neuronale Kommunikation ist in ganz natürlicher Weise zielgerichtet oder auf eine Vision gerichtet. Auch in Paarbeziehungen ist jede Kommunikation auf ein Ziel gerichtet. Durch das Einstimmen eines Paares auf ein gemeinsames Ziel, z.B. Kinder oder Aufgabenteilung oder gemeinsamen materiellen Erfolg, beginnt der Zyklus des Gebens und des Nehmens wo der Umsatz über den Erfolg bestimmt. Das Ziel kann etwas ganz einfaches sein, der Austausch einer Zärtlichkeit, ein Wort der Ermutigung oder ein Vorschlag. Je weniger von dem Geben und dem Nehmen durch Stressreaktionen oder Fehlinterpretationen zurückbehalten wird, desto größer ist die Fülle des Erfolgs und der freien Fluss der Energie zwischen den Menschen. Desto weniger Gehirnstress vorhanden ist desto leichter ist die klare Kommunikation innerhalb des Gehirns und zwischen den Menschen möglich. Gehirnstress kostet enorme Mengen Energie.

Die Amerikanische Neurofeedback Forscherin Anna Wise, die seit über 30 Jahren im Bereich der Erforschung höherer Bewusstseinszustände tätig ist macht in ihren Büchern darauf aufmerksam dass Paare Feedbackmechanismen darstellen. Sie benützt das Wort "Entrainment" was soviel wie "Im Takt oder Intakt" bedeutet. Die Gehirnwellen in Paare werden zwar nicht identisch aber sie können sich synchronisieren wobei ein hoher Umsatz des Gebens und des Nehmens als natürliche Folge entsteht. Wenn in Paare die Synchronisation nicht da ist dann ist die gegenseitige Akzeptanz, Wertschätzung und Würdigung nicht da und entsprechend auch das Geben und Nehmen gehemmt und auch die Fähigkeit Krisensituationen zu bewältigen. Ähnliche Ergebnisse wurden gefunden bei Stimmfrequenzanalysen in Paare.

Wir Leben in einer Zeit wo die "Selbstverwirklichung" und die "Individualität" ganz groß geschrieben wird. Immer mehr Beziehungen geraten unter die Räder des Egoismus wobei die Kinder die Leidtragenden sind. Der Drang nach Selbstverwirklichung und Individualität ist dann nur der Oberhand gewonnenen Reaktion des Flucht/Kampf Reflexes was zu einer Rückkehr in unsere tiefe Vergangenheit als menschliche Rasse führt wo jeder sich selbst der Nächste ist. Wenn dabei bedacht wird dass die Grundeinheit der Kommunikation im Gehirn, der Neuron, von seinem Nachbar abhängt und auf diesen angewiesen ist, von diesen seine Spiegelung bekommt und mit diesem auch gleichberechtigt ist, bekommen wir vielleicht ein klareres Bild davon wie das Gehirn entstresst werden kann und wie Frieden einkehren kann. Ein Neuron alleine kann gar nichts bewirken.

Anna Wise spricht bei ihrer Arbeit über das Konzept des Aktualisierten Menschen. Aktualisiert ist in dieser Hinsicht ein interessantes Wort und beschreibt einen Menschen der Aktuell oder auf dem Laufenden ist. Sie hat tausende von Menschen untersucht die Führungseigenschaften haben in der Wirtschaft, unter Trainer, Coaches und spirituelle Lehrer und festgestellt dass diese Menschen alle etwas gemeinsames haben, nämlich die Fähigkeit je nach Situation und Anforderung ihre Gehirnwellenaktivität neu einzustellen. Wenn sie sich konzentrieren wollen dann können sie es, wenn sie eine Krankheit auskurieren wollen dann können sie es, wenn sie schwere Arbeit verrichten wollen dann geht es ebenso mit Leichtigkeit ohne dass sie auf innere Widerstände oder Hindernisse stoßen. Sie haben ihren eigenen Rhythmus gefunden und können es nach belieben einsetzen. Sie sind zu aktive Gestalter ihres Lebens geworden und haben die Fähigkeit andere auf den Weg dorthin zu begleiten.

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